Er hat eine Pistole und ist Burschenschafts-Mitglied: Im Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt punktete FPÖ-Mann Norbert Hofer mit seiner kumpelhaften Art. Sein anderes Gesicht zeigt er nur selten.

„Sie werden sich noch wundern.” Dieser Satz Norbert Hofers aus einer TV-Diskussion kurz vor den Präsidentenwahlen blieb im kollektiven Gedächtnis Österreichs hängen. Jetzt, nach seinem überraschend hohen Wahlsieg, will der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ das nicht als Drohung verstanden wissen. Damals, in der Debatte, klang es jedoch genau danach: Österreich werde sich noch wundern, wie ein Bundespräsident Hofer in die Tagespolitik eingreife.

Staatsoberhaupt ist der 45-Jährige aus dem Burgenland noch nicht. Dafür braucht er den Wahlsieg in der zweiten Runde, am 22. Mai. Aber dieser Sieg ist zum Greifen nahe. Hofer liegt 14 Prozentpunkte vor seinem Rivalen, dem Grünen Alexander Van der Bellen. Er kann damit rechnen, dass er in der zweiten Runde zum Teil die Stimmen jener bekommen wird, die am Sonntag die Kandidaten von SPÖ und ÖVP wählten. Hofer verspricht nicht weniger als einen Systemwechsel: Weg von der Parteienherrschaft, hin zu einer direkten Demokratie „nach Schweizer Vorbild”.

Die Menschen wünschen sich ein neues Amtsverständnis, das Norbert Hofer lebt

Heinz-Christian Strache
FPÖ-Vorsitzender

Er bleibe auch im Wahlkampf zur zweiten Runde seinem Programm treu, versichert Hofer am Morgen nach dem Wahlsieg in einem Radiointerview: Als Bundespräsident würde er die Regierung zu einem Kurswechsel zwingen oder sie abberufen. Er würde sein Veto gegen das umstrittene transatlantischeFreihandelsabkommen TTIP einlegen und eine Volksabstimmung erzwingen. Und er würde Bundeskanzler und Außenminister zu Sitzungen des Europäischen Rats begleiten. Dass diese Versprechen sowohl mit den innenpolitischen Gepflogenheiten als auch mit der österreichischen Verfassung schwer vereinbar sind, stört weder den Kandidaten noch seine Partei. FPÖ-Vorsitzender Heinz-Christian Strache sieht in Österreich ein neues politisches Zeitalter angebrochen: Die Menschen „wünschen sich ein neues Amtsverständnis, das Norbert Hofer lebt”.

Einer, „der aufsteht und weitermacht”

Dabei hatte Strache lange gebraucht, um Hofer zur Kandidatur zu überreden. Der gelernte Flugzeugtechniker fühlte sich zu jung für das Amt, zu unbekannt und fürchtete vielleicht auch, den anstrengenden Wahlkampf körperlich nicht durchzustehen. Der vierfache Vater hat seit einem Unfall beim Paragleiten vor 13 Jahren Probleme mit der Wirbelsäule und geht am Stock. Problematisch wurde das aber nicht, im Gegenteil: Die FPÖ präsentierte ihren Kandidaten als einen, der sich nicht unterkriegen lässt, der aufsteht und weitermacht. „Aufstehen für Österreich – deine Heimat braucht dich jetzt”, war das Motto des Wahlkampfs.

Das Manko der Unbekanntheit machte Hofers Partei mit einer massiven Plakat- und Werbekampagne vergessen. In den TV-Diskussionen und Interviews punktete der Kandidat mit klarer Rede und freundlichem Umgangston. Das prägte seine Amtsführung als dritter Nationalratspräsident, das unterscheidet ihn auch vom gehetzten, oft hysterischen Auftreten seines Parteivorsitzenden Strache.

Mehrmals wurde Hofer deshalb nach seinem Sieg in der ersten Runde von Journalisten gefragt, ob er bei einer Niederlage in der Stichwahl nicht Lust auf den Parteivorsitz habe. Aber diese Fallgrube umgeht der Kandidat geschickt. Er habe gelernt, sich auf eine Sache zu konzentrieren, antwortet Hofer. Und das sei jetzt die Präsidentenwahl.

Hinter so viel Freundlichkeit verbirgt sich eine sehr konsequente Haltung. Hofer ist kein Liberaler. Er ist Mitglied der Burschenschaft Marko-Germania, die sich als Teil des „deutschen Vaterlands” sieht, „unabhängig von bestehenden Grenzen”. Ein Austritt aus der deutschtümelnden Schüler- und Studentenverbindung kommt für ihn nicht infrage.

Nein zu Zuwanderung und homosexuellen Partnerschaften

Hofer gehört auch zu den Autoren des FPÖ-Parteiprogramms und des „Handbuchs freiheitlicher Politik”. Unter Jörg Haider wurde das Bekenntnis zur „deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft” aus dem Programm gestrichen. Unter Strache und seinem Stellvertreter Hofer wurde es wieder aufgenommen. Hofer begrüßte das ausdrücklich. In dem von ihm mitgestalteten „Handbuch” wird Zuwanderung ebenso prinzipiell abgelehnt wie die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle. Ausländische Arbeiter sollen aus dem Sozialsystem ausgeschlossen werden.

Während des Wahlkampfs verkündete Hofer, er habe eine Pistole der Marke Glock gekauft, die er manchmal auch bei sich trage. Begründung: Es gebe leider auch verrückte Menschen. Außerdem: „Ich schieße einfach gerne.”

Im Wahlkampf blitzte die arrogante, aggressive Seite des Norbert Hofer nur manchmal auf. Als er seinen Konkurrenten Van der Bellen einen faschistischen grünen Diktator nannte. Oder die SPÖ in die Nähe von Kinderschändern rückte. Vielleicht geht in solchen Momenten seine Gesinnung mit ihm durch. Vielleicht setzt er solche Ausbrüche aber kalkuliert ein, als Signal an die Burschenschaften, die seit dem Wechsel von Haider zu Strache wieder das Rückgrat der Partei bilden. Mit der Botschaft: „Ich bin einer von euch.”

Für den großen Rest der Wähler gibt sich Hofer als netter Schwiegersohn. Seine Jugend wird ihm sogar als Vorteil angerechnet, selbst für das Präsidentenamt, das bisher immer von älteren, lang gedienten Regierungsmitgliedern besetzt wurde. Er sei offen, ehrlich, unverbraucht – und er verstelle sich nicht: Dieses Lob hört man über Hofer am häufigsten.

In den kommenden vier Wochen wird der Kandidat der FPÖ darauf achten, nicht zu sehr nach rechts zu driften. Denn er braucht für die absolute Mehrheit Wähler aus der Mitte. Dass die ersten Gratulationen aus dem Ausland ausgerechnet von Europas extremen Rechten Geert Wilders und Marine Le Pen kamen, ist für Hofer nicht gerade hilfreich.

Auf der anderen Seite muss auch sein Gegner Alexander Van der Bellen einen Lagerwahlkampf fürchten, bei dem sich alle anderen Parteien zusammenschließen, um einen Bundespräsidenten Norbert Hofer zu verhindern. Das würde den Kandidaten der FPÖ in die Opferrolle drängen. Und in dieser fühlten sich die Freiheitlichen schon immer am wohlsten.

http://www.welt.de/politik/ausland/article154737893/Hofer-Sie-werden-sich-noch-wundern.html