Desaströse Militäroperation auf den Philippinen

Bei einer Militäraktion gegen Abu Sayyaf sind auf den Philippinen 18 Soldaten getötet worden. Die Armee wirkt gegen die Terrorbande hilflos. Dies könnte den Präsidentschaftswahlkampf beeinflussen.
  • német

Die philippinischen Armee hat in einem stundenlangen Gefecht gegen die Entführerbande Abu Sayyaf hohe Verluste erlitten. Bei dem Zusammenstoss auf der Insel Basilan, die als Hochburg der muslimischen Terroristen im Süden des Archipels gilt, sind gemäss Angaben eines Militärsprechers am Samstag 18 Soldaten und Offiziere ums Leben gekommen. Über fünfzig Militärangehörige sollen verletzt worden sein.

Jahrzehntelanger Konflikt

Die tödliche Militäroperation steht im Zusammenhang mit der Suche nach einem Anführer der Separatistengruppe, Isnilon Hapilon. Er scheint sich als führender Kopf der seit zwei Jahrzehnten aktiven Bande etabliert zu haben und gilt als Bindeglied zum Islamischen Staat (IS). Die Vereinigten Staaten haben ein Kopfgeld von 5 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt. Die Rebellengruppe soll fünf Kämpfer verloren haben, darunter angeblich einen Sohn Hapilons. Unter den Toten befindet sich offenbar auch ein Marokkaner. Es wäre eine Bestätigung der Vermutung, dass Abu Sayyaf durchaus eine Rolle in der grenzüberschreitenden Terrorszene spielt.

Der schwere Zwischenfall wirft ein Licht auf die Unfähigkeit der philippinischen Streitkräfte, die muslimisch inspirierte Separatisten- und Terrorszene im Süden des Landes in den Griff zu bekommen; dies trotz wachsendem amerikanischem Support. Dieses Unvermögen betrifft hauptsächlich den muslimischen Teil Mindanaos, wo sich die Zentralgewalt Manilas nie richtig etablieren konnte, sowie den Sulu-Archipel, wo Abu Sayyaf tiefe Wurzeln geschlagen hat und das Geschäft mit Entführungen und Erpressungen blüht.

Lukrative Erpressungen

Vom Zeitpunkt her fällt auf, dass sich das Gefecht unmittelbar nach der Freilassung des italienischen Missionars Rolando del Torchio ereignet hat. Der Priester befand sich sechs Monate lang in der Gewalt seiner Entführer. Westliche Länder bezahlen oft Millionensummen, um ihre Landsleute freizukaufen, die dann auf Fraktionen von Abu Sayyaf verteilt werden, und leisten damit einen Beitrag zur Ankurbelung eines makaberen Geschäfts, in dem die Grenzen zwischen Kriminalität, Ideologie und Terror fliessend geworden sind. Derzeit befinden sich gegen zwanzig weitere Geiseln in den Händen von Abu Sayyaf, darunter zwei Kanadier und ein Norweger.

Der Konflikt zwischen den philippinischen Streitkräften und den radikalen Gruppen im Süden ist gnadenlos. Gemäss ersten Berichten sind verschiedenen Soldaten enthauptet worden. In dem Konflikt geht es um Geld, Waffen, Vergeltung, Träume von einem eigenen islamischen Staat bzw. alter Sultanate, die einst bis nach Malaysia reichten. Auch weil Abu Sayyaf und andere Rebellengruppen über Clans in der Bevölkerung fest verankert sind, gelingt es den Soldaten trotz numerischer Überlegenheit in der Regel nicht, der Banditen habhaft zu werden.

Schwerer Blutzoll mit Folgen

Dass die Armee einen so hohen Blutzoll erlitten hat – den grössten bisher im Kampf gegen die Bande – wird mit den Verstärkungen begründet, die Abu Sayyaf rasch zu mobilisieren vermochte. Deren Kämpfer sind mit dem Terrain vertraut, durch die vielen Scharmützel geschult und schwer bewaffnet. Für die Armee hingegen, die fast die Hälfte aller Truppen im Süden des Landes unterhält, ist die Bilanz verheerend.

Selbst politische Folgen sind nicht auszuschliessen: In vier Wochen finden auf den Philippinen Präsidentschaftswahlen statt. Die missglückte Operation könnte den vom abtretenden Präsidenten Benigno Aquino portierten Kandidaten Manuel Roxas weiter schwächen, dem mangelndes Charisma und Unentschlossenheit vorgeworfen werden. Und es könnte Wasser auf die Mühlen seines Konkurrenten Rodrigo Duterte sein, dem es als Polizeichef und Bürgermeister von Davao mit kruden Mitteln gelungen ist, muslimische Separatisten und Drogenhändler zu vertreiben, Kriminellen mit brutalen Mitteln das Handwerk zu legen und Davao so zur sichersten Stadt auf den Philippinen zu machen. Zu seinem populärsten Wahlversprechen gehört die Herstellung von «Recht und Ordnung» auf den Philippinen.

Heikle Hinterlassenschaft

Der Verlust der Armee hat gewisse Parallelen zu einer missglückten Kommandoaktion, die im Januar 2015 insgesamt 44 Polizisten einer Antiterroreinheit das Leben kostete. Auch damals ging es um die Aufspürung eines international gesuchten Drahtziehers und auch damals musste sich die Führung schwere Vorwürfe gefallen lassen. Gegner war damals allerdings nicht Abu Sayyaf, sondern die Moro Islamic Liberation Front (MILF), die die wenig ortsunkundigen Einheiten in Zentral-Mindanao bei Mamasapano regelrecht massakrierte und dabei von Mitgliedern der radikalen Bangsamoro Islamic Freedom Fighters (BIFF) unterstützt wurde.

Jener Vorfall zeigte, wie fragil die Autonomieverhandlungen zwischen der Regierung und der MILF sind, die auf der Basis eines Gesetzesentwurfs («Bangsamoro Basic Law») zu einer selbstverwalteten Provinz führen sollen. Die entsprechende Vorlage, die nur (vorwiegend muslimische) Teile Mindanaos betrifft, ist seither im Kongress blockiert. Es handelt sich um ein unbewältigtes Erbe aller früherer Administrationen. Selbst wenn es der nächsten Regierung gelingen sollte, diese Vorlage durchzubringen, bleibt das Problem mit der Terrorbande Abu Sayyaf aber ungelöst.

Forrás: http://www.nzz.ch